Wieviel Materie braucht Geschichte? – GRENZGÄNGER II
Der Substanzbegriff in der städtebaulichen Denkmalpflege
30.11.2011 // 19.00 Uhr in Raum 405 // Mohrenstraße 41 // Berlin
Grenzgänger, die Diskussionsreihe der Graduates Studies Group, veranstaltet am Mittwoch eine Veranstaltung, bei der die Frage nach der Anwendbarkeit des bestehenden Denkmalbegriffs im Zeitalter steigender Bedeutung städtebaulicher Denkmalpflege gestellt wird. Impulsreferate geben Achim Schöer und Dr. Dagmar Tille:
In der Herausbildung des Denkmalbegriffs spielte die „historische Substanz“ eine konstituierende Rolle als Träger der zentralen Denkmaleigenschaft, der Geschichtlichkeit. Der Denkmalwert bestimmt sich jedoch letztlich aus weiteren, immateriellen Denkmaleigenschaften wie besondere künstlerische Qualität, besondere geschichtliche Bedeutung etc. Ausgehend von einem Vergleich mit der besonderen Problematik der Gartendenkmalpflege, die ganz selbstverständlich mit der Veränderung ihrer historischen Substanz umgeht, möchte ich in meinem Vortrag diskutieren, inwieweit die Authentizität auch einer städtebaulichen Situation auf historischer Bausubstanz beruhen muss. Auf der einen Seite steht dabei die Auffassung der Besonderheit einer städtebaulichen Situation quasi als „Nebenprodukt“ der sie konstituierenden historischen Gebäude, auf der anderen die umgekehrte Auffassung der Stadtgestalt als Produkt eines – immateriellen, aber historischen – konstituierenden Organisationssystems für Räume, Volumen und Nutzungen. Salopp gesagt steht also „Ziegel gegen Traufhöhe“.
Diese unterschiedlichen Auffassungen können an Beispielen aus München beleuchtet werden, wo im Zuge der sog. Nachqualifizierung der Denkmalliste der Begriff der „konstituierenden Bauten“ eingeführt wurde und in Folge eine ganze Reihe von Denkmalensembles von der Aberkennung des Denkmalwertes bedroht ist; wohingegen deutliche räumliche Störungen von materiell unveränderten Ensembles (zB Highlight Tower / Ludwigstraße) zu keiner Streichung geführt haben. Vor dem Hintergrund der vehementen lokalpolitischen, aber auch wissenschaftlichen Debatten (z.B. um bedrohtes Weltkulturerbe) stellt sich die Frage, ob die bisherige Substanzorientierung in der städtebaulichen Denkmalpflege noch haltbar ist. Zu einer möglichen Weiterentwicklung des Denkmalbegriffs könnte auf städtebautheoretische Begriffe wie z.B. die Stadtmorphologie zurückgegriffen werden.
Impuls:
- Achim Schröer, Stadtplaner Bauhausuni Weimar,
- Dr. Dagmar Tille, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Moderation:
- Heike Oevermann (GSG)
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